Bereits im Jahr 2021 haben die Demokraten auf Bundesebene versucht, mit zwei neuen Wahlgesetzen das Wahlsystem der USA in neue Bahnen zu lenken.
Der John Lewis Voting Rights Advancement Act war ein Gesetzesentwurf, der die Standards für Wahlen landesweit so anpassen sollte, dass Minderheiten bei der Stimmabgaben nicht benachteiligt würden. Der noch umfangreichere Freedom to Vote Act zielte darauf ab, mehr Einheitlichkeit herzustellen, wenn es um Wahlen auf Bundesebene geht. Denn hier sind die Wahlgesezte der Einzelstaaten oft sehr unterschiedlich.
Diese Vorhaben wurden jedoch von der Republikanischen Partei immer wieder blockiert. Diese Blockade wurde mithilfe des Filibusters im Senat erreicht. Die nur hauchdünne Mehrheit der Demokratischen Partei reicht in dieser Kongresskammer nicht aus, um ein Gesetz zu verabschieden. Aufgrund der geschlossenen Ablehnung seitens der Republikaner bestand hier keine Chance auf eine parteiübergreifende Einigung. Daher starteten die Demokraten 2022 mit einer anderen Strategie einen neuen Versuch.
Sie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenSie sehen gerade einen Platzhalterinhalt von YouTube. Um auf den eigentlichen Inhalt zuzugreifen, klicken Sie auf die Schaltfläche unten. Bitte beachten Sie, dass dabei Daten an Drittanbieter weitergegeben werden.
Mehr InformationenWie ich euch in meinem Video zum Filibuster erklärt habe, nutzt man dieses Mittel, um die Senatsdebatte über Gesetze auf unbestimmte Zeit hinauszuzögern. Denn wenn man endlos über einen Gesetzesentwurf redet, dann kommt man nie zur Abstimmung. Diese wäre aber nötig, um das Gesetz weiterzubringen. Eine Besonderheit ergibt sich jetzt noch zusätzlich: Wenn man es genau nimmt, dann können nicht nur Debatten über Gesetze mit dem Filibuster behindert werden.
Werfen wir dazu einen Blick auf das Tagegeschäft des U.S. Senats: Die Geschäftsordnung legt hier fest, wie ein Arbeitstag abläuft und was auf dem Tagesplan steht. Kurzum, hier wird geklärt, über was an einem bestimmten Tag diskutiert wird. Wenn nun ein ganz neuer Gesetzentwurf im Postfach des Senats landet, dann sollte dieser auf die Tagesordnung gesetz werden. Schließlich möchte man das Gesetz diskutieren, ändern und dann darüber abstimmen.
Da die US-Gesetzgebung die Zustimmung von Senat und Repräsentantenhaus benötigt, wandert der Entwurf oft mehrmals zwischen den beiden Kammer hin und her (sog. ping-pong). Da werden Änderungswünsche angebracht, bestimmte Teile gestrichen oder hinzugefügt. Entscheidend ist, dass die finale Version dann in jeder Kammer mit einer Mehrheit verabschiedet wird.
Nehmen wir an, dass ein Entwurf vom House of Representatives angenommen wurde und dann an den Senat weitergeleitet wird. Jetzt muss dieser Entwurf dort noch debattiert werden. Dazu muss er natürlich erst einmal auf dem Tagesplan landen. Und genau hier beginnt die Problematik. Der Senat selbst entscheidet ja über die Agenda des Tages. Wenn nun ein für eine Partei unliebsamer Entwurf auf die Agenda gestellt werden soll, dann kann man das verhindern. Und zwar ebenfalls mit einem Filibuster! Über die Tagesordnungspunkte wird nämlich abgestimmt. Und meist gilt: Wo eine Abstimmung ist, da ist auch eine Debatte. Und genau diese kann nun jeder beliebige Senator mit einem Filibuster blockieren. Diese Taktik ist besonders zermürbend, da man nicht die eigentliche Debatte über das Gesetz torpediert, sondern bereits einen Schritt vorher einhakt. Man verhindert, dass der Entwurf überhaupt auf der Agenda landet. Das Gesetz kommt dann einfach nicht im Senat auf den Tisch, sondern bleibt im Postfach stecken!
Die ausgefeilte, neue Strategie der Demokraten war daher ein ganz schöner Umweg. Man wollte irgendwie diese erste Hürde umgehen und erzwingen, dass es das Gesetz zumindest einmal durch die Türe des Senats schafft. Also nahm man einen vollkommen anderen Gesetzentwurf, der zur Zeit auch zufällig im Umlauf war. Die Wahl fiel hier auf ein Gesetz, das mit der NASA zu tun hat – ja genau, mit denen im Weltraum. Der Inhalt dieses Gesetzes war dabei aber komplett irrelevant. Wichtig war nur, dass es sich in einer Phase befand, in der es bereits in beiden Kammern diskutiert wurde und Änderungen hin- und hergeschickt wurden. Sobald nämlich ein Gesetz einmal in jeder Kammer diskutiert wurde, kann es bei den darauffolgenden Durchläufen nicht mehr ignoriert werden. Kommt ein Entwurf das zweite Mal durch die Türe, so wird die Abstimmung über die Agenda übersprungen. Der Text muss dann direkt auf den Plan der Debatte des Tages gesetzt werden. Hier besteht also keine Möglichkeit, die erneute Ankunft des Gesetzes zu verhindern.
Und jetzt kommt der juristische Kunstgriff: Die Demokraten nahmen somit schlichtweg das themenfremde NASA-Gesetz, löschten seinen gesamten Inhalt und ersetzten ihn komplett durch den Text der beiden Wahlgesetze. Dazu wurden die Gesetze zu einem langen Text vereint. Was jetzt entstand war ein Gesetz, auf dessen Titelblatt etwas von der NASA stand, welches aber innen drin nur Wahlthemen behandelt. Man benutzte das NASA-Gesetz quasi als „Hülle“ bzw. trojanisches Pferd, um es über die Türschwelle des Senats zu bringen.
Und genau so kam dieses Gesetz dann zum Senat. Dieser war gezwungen, es direkt in die Agenda zu nehmen, weil es sich auf dem Papier ja nicht um eine neue Diskussion, sondern um eine ältere, bereits angestoßene Debatte handelte. Der Plan ging auf und das Wahlgesetz wurde im Senat debattiert.
Doch es blieb nur bei einem kleinen Zwischenerfolg für die Demokraten. Am Ende des Tages zählt ja, ob das Gesetz verabschiedet wird. Und genau diese entscheidende Abstimmung verloren die Demokraten am 19. Februar 2022 unter Filibuster-Einfluss.